Kuba

„Du kannst es fühlen, aber du kannst es nicht verstehen.“

erklärt ein Einheimischer und behält recht.
Eindrücke aus Kuba.

Che. Ihn zu vergessen, ist auf Kuba unmöglich. Sein Konterfei – allgegenwärtig. Charismatisch und selbstlos lugt es von bröckelnden Fassaden. Kämpferisch und schmiedeeisern präsentiert es sich in stattlichen Statuen. Solidarisch und zum Anfassen raucht es Zigarre und hält ein Kind auf dem Arm. Che Guevara, der postume Inbegriff der kubanischen Revolution, der entschlossene Klassenfeind, der auszog, um Kuba von Korruption und den kapitalistischen USA zu befreien – auch ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod bleibt er realistisch und stellt sich erneut dem Unmöglichen: dem Lauf der Zeit.

Die einst mühevoll zum Stillstand gebrachte Zeit läuft heute wieder auf Kuba. Und Che läuft mit. Zahlreicher und auffälliger denn je, auf farbenfrohen T-Shirts, Holzköpfen und Schatullen, als historischer Schlüsselreiz, Buch, Bild oder alles zusammen. Den Zeitgeist seines schönen Helden weiß das kubanische Volk zu huldigen, seine sensible Botschaft trägt es heute nicht minder flexibel fort. 

Kapitalistisch geprägten Ausländern, die sich lieber am baufälligen Charme sozialistischer Misswirtschaft ergötzen als am lebenden Kubaner, wird der Spiegel vorgehalten, indem ihren Devisen schlichtweg größere Beachtung geschenkt wird als ihrem verwöhnten Wesen. Auf Kuba können sie so hautnah erleben, wie es mit einer exklusiven Zweit(dollar)währung möglich ist, mit einem Taxi und einem Ausländer an Bord in zwei Stunden mehr einzunehmen als ein Arzt in einem Monat verdient. Und dann verblüfft feststellen, dass permanente Knappheit, Handelsverbote und ein gutes Bildungssystem die Kreativität so sehr fördern, dass neben 60 Jahre alten Autos auch Aludosen, klapprige Pferde und freilaufende Hühner gewinnbringend am Leben erhalten werden können. 

Ein Highlight für den kapitalistisch geprägten Gast dürfte auf Kuba die Erkenntnis sein, dass Freiheit mehr ist als ein uneingeschränkter Internetzugang. Dass auch Rückständigkeit noch Arbeitsplätze schafft und Überwachung nachbarschaftlich-menschlich macht. Dass die Freiheit des Reisens unbezahlbar ist, erst recht wenn man sie sich leisten kann. Freiheit ist ein Rausch, wird der verwirrte Kuba Besucher erkennen, wenn er sich erst auf die Musik, den Rum oder sonst eine Leidenschaft eingelassen hat. Und dieser Rausch ist besser als Internet. Besser als in einem selbstgebauten Boot gen USA zu schippern. Und besser als das Apple-Logo, das auf Kuba in erster Linie als Aufkleber existiert.

Wie die Kubaner vor ihren halbvollen Geschäften, werden auch die kapitalistischen Ausländer in Zukunft Schlange stehen im karibischen Paradies. Von eigens für sie betriebenen Bilderbuchstränden, Nostalgie und Billigflügen angelockt, werden sie kommen und fühlen, dass man Kuba nicht verstehen kann. 

Dieser Text ist im Dezember 2015 entstanden.

Kuba und die USA waren sich gerade nähergekommen und von Eurowings gab es die ersten Billigflüge nach Kuba.